Bestsellerautor & Strukturgeber
Warum fällt die Berufswahl so schwer? – Schwere Entscheidungen bei der Jobwahl durch Zuvielitis:
Unsere “Zuvielgesellschaft” zieht uns in einen ständigen Strom der Aktivität, Aufmerksamkeit, Rastlosigkeit. Das kann schnell lähmen, überfordern und den Blick für die wirklich wichtigen Dinge im Leben vernebeln. Das zeigt sich nirgends so deutlich wie bei der Jobwahl.
*Hinweis: Dieser Text ist der Langtext eines Artikels, der für Spiegel-Online verfasst wurde, daher wundere dich nicht, dass ich hier die „Sie“-Form verwende. Los gehts!
„Ausqual“: Warum uns die Job- und Studienwahl so schwer fällt
Ich bin Dozent für Selbstmanagement und Lernmethoden an verschiedenen deutschsprachigen Unis, unter anderem in Passau, Würzburg und der ETH Zürich. Da es im Zeitmanagement nichts bringt, wenn man doppelt so schnell läuft aber in der falschen Richtung unterwegs ist, stelle ich zum Seminarauftakt folgende Frage: „Wer weiß, welchen Job er nach dem Studium ausüben möchte?“ Nun zeigt sich immer das gleiche Muster: Blicke senken sich. Schweigen. Nur drei von 20 Teilnehmern melden sich. Es sind, wie meistens, Lehramtsstudenten, die sich vor dem Studienbeginn bereits festgelegt haben.
Wenn es um die eigene Berufswahl geht, eiert die „Generation Y“ herum wie ein Vierjähriger beim ersten Versuch auf dem Fahrrad. Warum?
Mich fasziniert dieses Phänomen seit Jahren, denn auch ich war immer wieder gefangen im Labyrinth der unbegrenzten Möglichkeiten. Ich wusste zwar, dass ich (damals noch) in der Werbung arbeiten wollte, doch die Wege dahin waren vielfältig: Man könne dafür entweder Wirtschaft oder Grafikdesign studieren, hieß es. Ich entschied mich für Wirtschaftswissenschaften, weil ich so hinterher die meisten Möglichkeiten hätte. Dann schrieb ich postalisch 55 Unis an (das Internet war noch nicht gängig) und bat um Studienpläne. Ich entschied mich die Uni Witten/Herdecke, doch die Entscheidungen hörten nicht auf: Welche Fächerkombination ist sinnvoll? An welche Auslandsuni soll ich gehen? Wo mache ich meine Praktika? Welches Thema wähle ich für meine Diplomarbeit? Was will ich später wirklich machen? (Die Werbung erschien mir plötzlich nicht mehr reizvoll in der Fülle der neuen Optionen, die mein breit angelegtes plötzlich offenbarte.) Die Qual der Wahl war meine Qual. Ich beschloss, dieses Phänomen in meiner Doktorarbeit zu erforschen. Und ich fand einige Antworten in der Frage, warum wir es uns selbst so schwer machen.
Gut – besser – zuviel
Im Kern liegt unser Luxus-Problem in der „Zuvielitis“: Sucht man nach Jobangeboten in Vollzeit-Stellen speziell für Berufseinsteiger bietet Monster im „Einkauf“ 142, im „Vertrieb“ 616, im „Marketing“ 346 im „Controlling“ 314 und im „Personal“ 364 aktuelle Stellen. Für bereits berufserfahrene sind es jeweils über 1000 Stellen. Nicht ganz leicht, sich hier zu entscheiden. Jede Option zu prüfen kostet Zeit und Nerven. Die Forschung bestätigt, das Menschen sich desto schwerer und seltener entscheiden, je mehr Optionen zur Auswahl stehen. Das gilt für Konsumgüter, Dienstleistungen, Jobs. Sogar Ärzte oder Politiker vertagen gern Entscheidungen, wenn diese zuviel Energie zum Nachdenken erfordern. Studenten die 30 statt 6 Essaythemen für Zusatzpunkte zur Auswahl hatten, gaben seltener Essays ab und deren Qualität war schlechter. Wer die Wahl hat, schiebt diese gern auf. Gerade junge Menschen möchten keine falschen Entscheidungen treffen und sich alle Optionen offenhalten – bis sie zum Schluss froh sind, überhaupt noch etwas zu finden.
Früher gaben uns Kirche, Staat, Herkunft oder familiäres Umfeld eine gewisse Richtung vor. Es gab mehr Erfahrungen, die man weitergeben konnte. Meine Uroma riet mir, ich solle einen „richtigen Beruf“ ausüben und Fleischer oder Gärtner werden. Zu den Berufsbildern des „Social Media Managers“ und des „Affiliate Development Assistant“ konnte sie mir irgendwie keine Auskunft geben. Komisch. Und so stehen wir mit unserer Entscheidung und all unseren inneren Konflikten ziemlich allein da – unseren Freunden geht es ja genauso.
Eine Jobwahl ist zudem eine vielschichtige Angelegenheit mit vielen sich teilweise ausschließenden Merkmalen. Das provoziert innere Konflikte. Stellen Sie sich vor, Sie müssen aus zwei Jobangeboten wählen: Job A bietet ein tolles Gehalt und gute Aufstiegschancen. Doch die Firma liegt in der Pampa und die starre Hierarchie ist nicht zu übersehen. Job B hingegen hat ein tolles Team, eine vielfältigere Aufgabe und liegt im Zentrum Ihrer Lieblingsstadt. Der Wermutstropfen ist die magere Bezahlung. Wie entscheiden sie sich? Die Frage ist wahrscheinlich nun, wie viel Schmerzensgeld Job A bieten muss, um B auszustechen. Doch die Präferenzen sind dabei nicht fest, an dem einen Tag scheint die Lage der Firma wichtig, an dem anderen Tag die Karriere. Oft haben Sie nicht nur Job A und B, sondern noch Option C, D oder E zur Auswahl. Selbst wenn kein konkretes Angebot auf dem Tisch liegt, die Frage „Was wäre wenn…?“ wiegt schwer. Gern vergleicht man all die Vorteile der nicht gewählten Optionen und stellt diese den Nachteilen der eigenen Wahl in Rechnung. Schlimmstenfalls hat jede Option einen Haken – und kein Job scheint mehr wirklich attraktiv. Was tun wir? Weitersuchen.
Die Multioptionsgesellschaft treibt uns in eine Denkfalle
Doch die immense Auswahl an Optionen besteht nur theoretisch. Der Job muss mich schließlich auch wollen. Man kann nicht zwischen Berufsprofilen wählen, für die man sich nicht näher informiert hat und zu denen kein konkretes Angebot auf dem Tisch liegt. So ist es leicht, in die verschiedenen Optionen all seine Wünsche und Träume an den idealen Job hineinzuprojezieren. Doch erst in der zielgerichteten Auseinandersetzung mit einer Stelle, im Informationsprozess, im Bewerbungsgespräch und mit dem Feedback kommen die spannenden Informationen, ob der Job wirklich passend ist. Beginnen in diesem Prozess die Augen zu leuchten und das Herz schneller zu schlagen? Oder wird es schwer und qualvoll? Das sind klare Indizien von innen heraus, die den Weg weisen können.
Mir persönlich haben „Testballons“ sehr geholfen. Zum Beispiel habe ich für meine Studienwahl vorher Einführungsbücher der jeweiligen Fächer gekauft und mich als Abiturient in verschiedene Vorlesungen gesetzt. Damit habe ich mich sehr dezidiert der Situation des „Was wäre wenn…“ ausgesetzt. Und schnell gemerkt, ob ich warm geworden bin oder ob es sich nach „Arbeit“ anfühlte. Das sich auch Praktika, Studentenwettbewerbe, Branchennewsletter, Praktiker-Ratgeber und Firmenkontaktmessen hervorragend eignen, um sich einen Eindruck von den Tätigkeiten und Menschen zu verschaffen, brauche ich ja nicht zu erwähnen.
In einer Welt, in der man vom Tellerwäscher zum Bodybuilding Champion und Millionär werden kann sind steile und ungewöhnliche Karrieren keine Seltenheit. Jeder kann alles erreichen, wenn er nur die richtigen Mittel und Wege dafür findet. Die Welt scheint grenzenlos. „Du kannst wenn du willst“, „Finde den Job der dich glücklich macht“. Die Versprechen der Jobexperten sind verlockend. Wollen wir das nicht alle? Den einen Job, der mich glücklich macht? Nur viele wissen gar nicht, was sie glücklich macht! Deswegen stelle ich meinen Studenten im Seminar vier Fragen: Was will ich tun? Was will ich sein? Was will ich haben? Was will ich können? Dazu soll jeder mindestens 15 Verben, Adjektive, Gegenstände, Tätigkeiten finden. Danach wird nach Mustern, Wiederholungen und Gemeinsamkeiten geschaut. Eine heiße Fährte!
Wer seine Neigungen und Fähigkeiten dann besser kennt, kann ich die vermeintlichen Tätigkeiten der Joboptionen aufschreiben und mit meinem Wunschprofil abgleichen. Dann hätte vielleicht Job A 90% Passung, B 80%, C 60%. Es ist ein kleiner, aber wichtiger Unterschied: Plötzlich muss der Job zu mir passen! Auf diese Weise ist man weniger geneigt, sich selbst zu verbiegen. Es hilft zudem, sich bewusst zu machen, dass man nicht den perfekten, sondern den für seine derzeitige Situation passendsten Job wählt.
Mir hat diese Übung sehr geholfen, als ich mich für oder gegen meine Doktorarbeit entschieden habe: Tätigkeiten wie lesen, schreiben, vortragen, konzeptionieren, und gründlich nachdenken standen ganz oben auf meiner „Was-will-ich-tun-Liste“. Diese glich ich mit dem Profil der Tätigkeiten, die man bei einer Doktorarbeit den ganzen Tag macht, ab: lesen, schreiben, Dinge gründlich durchdenken … Bingo!
Vielleicht ist es auch gar nicht so wichtig, wie wir uns entscheiden, sondern nur, dass wir uns überhaupt entscheiden. Sonst geht es uns wie Buridans Esel, der vor zwei großen, saftigen Heuhaufen stand. Beide schienen lecker und der Esel schwankte immer zwischen den beiden attraktiven Optionen hin-und-her. Er konnte sich einfach nicht entscheiden, welchen er fressen wollte. Solange, bis er verhungerte.
Zum Weiterlesen:
"Stoppt die Welt, ich will aussteigen": Dieses Reisebuch ist mehr als nur ein unterhaltsamer Reisebericht über meine Weltreise. Das Buch spiegelt gleichsam einige wichtige Aspekte unserer Kultur und unser Denken. Insbesondere im "Neuseeland" Kapitel beschreibe ich meine eigenen Schwierigkeiten im Umgang mit Nicht-Optionen und an viele Stationen der Reise viel es mir schwer, mich als bekennender Multioptionalist auf Ruhe und Abschalten einzulassen. Auf der anderen Seite beschreibt das "New York" Kapitel das Konzept der "Testballons" als eine Möglichkeit, mit der Zuvielitis umzugehen.
"Customer Navigation":
Hier beschreibe ich das Phänomen der "Multioptionsgesellschaft" und "Paradox of Choice" im Bereich der Konsumentenpsychologie. Ich habe 5 Jahre über dieses Thema meine Doktorarbeit geschrieben und in dem Buch ist das praxisrelevante Wissen aus über 1000 Forschungsberichten auf nur 200 Seiten komprimiert.
Bestnote. Lernerfolg verdoppeln, Prüfungsangst halbieren:
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Über den Autor: Dr. Martin Krengel ist Bestseller-Autor, Entrepreneur, Motivatsredner und Strukturgeber. >> Mehr
Facebook: https://www.facebook.com/bestleistung
Kategorie: Träume verwirklichen
Artikel von Martin Krengel
am 02.02.2016
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