Bestsellerautor & Strukturgeber
Du willst deinen Traumjob finden oder selbstständig arbeiten? 🎯 So gelingt der Jobwechsel und die Existenzgründung! 🍀
Fakt 1: Viele Menschen Träumen von einer Existenzgründung und wollen sich selbständig machen.
Fakt 2: Aber leider die meisten Wege in die Selbständigkeit scheitern – oder fühlen sich extrem schwer und leidvoll an.
Warum?
… weil die Erwartungen anfangs viel zu hoch sind und weil gutgemeinte Ratgeber und „Motivationssprüche“ Menschen in die falsche Richtung schicken.
Dieser Artikel räumt mit einigen Motivations-Mythen auf und zeigt, wie du sanft, elegant und gelassener den Jobwechsel zu deinem Traumjob bzw. den Weg in deine Selbstständigkeit schaffst.
Ich schaue hier auf die psychologische Seite des Jobwechsels/ der Existenzgründung, nicht auf irgendwelche Techniken oder Tricks. Wir fokussieren hier auf zwei wichtige Fragen, die sich fast jeder zum Anfang stellt:
Wie bringe ich den Mut auf, das zu tun, was ich wirklich will?
Soll ich einfach ins kalte Wasser springen – so wie es mir „schlaue“ Ratgeber empfehlen?
- Prüfe: Was ist dran an deinem Traum? Ist es nur eine fixe Idee oder stehen einige solide Wünsche und Bedürfnisse dahinter?
- Integriere: Gibt es eine Möglichkeit, deinen Traum mit deinem bisherigen Leben zu verbinden? Kannst du etwas in deinem Job oder deinem Leben so verändern, dass ein vormals sperriger Traum in einer etwas abgewandelten Form seinen Platz darin findet?
- Schaffe einen sanften Übergang: Oft denken wir automatisch in Schwarz und Weiß, in einem Entweder-oder-Modus. Meistens gibt es aber viele Farben und Facetten, und zwei Vorhaben lassen sich mit ein wenig Drehen und Kneten in ein farbiges „Sowohl-als-auch“ überführen.
- Denke in Stand- und Spielbein: Der Weg, aber auch das Ende, dein Ziel, wird wohl kein Entweder-oder sein, sondern eher ein Mix verschiedener Rollen, Einkommensquellen und Tätigkeiten.
Versuche deine Ziele und Projekte kleiner und flexibler zu denken und so wendiger zu machen. Dann findest du sicher Möglichkeiten, einige Dinge zu verzahnen, zu integrieren, zu mixen und einen sanften Übergang zu schaffen. Das wird dir helfen, schneller zu starten und einen für dich und deine Situation passenden Weg zu finden.
Spring! Jetzt! Nicht?!
Vorhang auf …
Wir sind auf einem Kongress, adressiert an Leute, die nach Orientierung suchen, sich selbstständig machen wollen oder eine Weltreise planen.
Eingeladen ist – ein bekannter, typischer Motivationsguru, der durch flotte Sprüche und viel Mediendruck bekannt geworden ist.
800 Leute sitzen vor ihm, warten auf Inspiration und erhoffen sich Hilfe für ihren noch unsicheren Weg.
Es geht los.
Er flippt nonchalant ein tolles Beispiel nach dem anderen durch seine hochglanzpolierte PowerPoint-Präsentation.
Der Text sitzt. Locker und im gängigen Storytelling-Modus werden großartige Erfolgsstories ausgebreitet, wie man es von einem Redner seiner Klasse erwartet.
Doch – Moment mal – nach der dritten Geschichte kommen mir die Handlungsstränge und Beispiele seltsam bekannt vor. Habe ich ein Déjà-vu?
So oder sehr ähnlich habe ich die Vorher-nachher-Vergleiche und Pointen schon einmal gesehen, gehört oder gelesen – und bei einigen hatte ich auch eine sehr klare Vorstellung, welchen Quellen diese Geschichten (unzitiert) entnommen wurden.
Dann,
… taaadaa …damm …
… erklingt Musik. 🎼🎵🎶
Laute, theatralische Filmmusik.
Ich schaue mich nach hinten um, ob Herkules zur Endzeit-Schlacht mit einem Heer an Motivationsrittern die Treppe heruntergeritten kommt.
Aber nein, der Motivationsmensch bleibt im Mittelpunkt der Szene. Er springt auf, stellt sich auf einen Tisch und sagt diesen nach Rat gierenden jungen Zuhörern, was passiert, wenn sie endlich den Sprung in die Selbstständigkeit wagen.
„Du hast dir eigenhändig Flügel gebaut, stehst an der Klippe und dann …
… dann SPRINGST DU!“
„Klingt wie ’ne Predigt“, denke ich mir.
„… und du fliegst.“
Nun breitet er die Arme aus und wedelt wild damit herum. (Das erinnert mich ein wenig an Betrunkene, die auf dem Oktoberfest nach der dritten Maß das Flieger-Lied tanzen.)
„Jaaa … du fliegst tatsächlich! …
… und fliegst ….
… immer höher,
immer weiter, …“
Nun wird die Musik noch ein wenig aufgedreht.
Allerdings wechselt jetzt die Tonalität, wir hören eine andere, frohere, zuversichtliche Melodie …
We are the Champions 🎶
Natürlich!
Queen fehlte noch. Die Leute stehen auf. Klatschen. Tanzen.
Ich frage mich:
Warum spielt er nicht „Lion King“ und lässt uns alle wild auf unserer Brust trommeln?
Aber nein, es reicht. Die Kernbotschaft ist angekommen: Du musst nur EINMAL diesen Sprung wagen – und dann werden deine Träume wahr.
Es klingt leicht. Scheint einfach. Die Zuschauer sind energiegeladen. Erleichtert. Locker. Super drauf. Hoch motiviert.
Hut ab: Die Show kommt an!
Am Ausgang stehen die Assistenten des Redners, sie drücken den fröhlich hüpfenden Teilnehmern Flyer für das nächste Live-Seminar mit in die Hand („Anmeldeschluss: morgen“). Bereitwillig wird zugegriffen.
Das Konzept geht auf. Alle vorherigen Sorgen und Bedenken wurden beiseite inszeniert. Die positiven und selbstsicheren Bereiche der Gehirne sind nun aktiv – die kritischen schlummern.
Ihre aller Träume würden bald schon Wirklichkeit sein! Wer hört diese Botschaft nicht gern? Die Teilnehmer sind berauscht. Sie schwelgen in der großen bunten Traumwolke.
Meine Assoziation zu einer Predigt kommt mir wieder hoch: Früher suchten Leute Trost und Sinn, heute Ansporn und MEHR. Menschen hoffen nicht mehr auf Erlösung oder Erleuchtung, sondern wünschen sich Erfolg und Ehre. Die Prediger stehen auf Bühnen, nicht mehr in kalten Kirchen und deren Kapellen. Aus dem „Amen“ wird „I am the Champion“.
Der Inhalt der modernen Motivationspredigten: Die Verheißung auf ein hohes Ziel – und einen leichten Weg. Statt mit der Peitsche und der Angst vor dem Tod und der Hölle zu drohen, werden nun Erfolgsbeispiele und Sprüche als Motivationsmohrrüben vor den hungrigen Hilfesuchenden hin und her gependelt. GREIF ZU! Ja, DU kannst es AUCH schaffen!
Der Kern des Erfolges der Kirchen war der Glaube der Menschen. Der ist auch hier zentral: So heißt doch einer der Top-Motivationssprüche „Du kannst alles erreichen, wenn du nur fest daran glaubst.“
Wer will das nicht gern glauben?
Der Motivationsguru meint es vielleicht tatsächlich gut. Aber wissentlich – oder unbewusst – pumpt er hier Traumschlösser auf, statt wirklich Lösungen zu bieten.
Zugegeben: Es ist schwer, die unterschiedlichen Fragen, Ängste und Bedenken von 800 Leuten in einem Vortrag zu beantworten. Die Redner sehen sich als Impulsgeber: Infotainment, flotte Sprüche und eine ordentliche Show müssen her! Wirkliches Zuhören, Eingehen und Zeit nehmen rechnen sich zudem nicht so gut.
Einer der begeisterten, aufgeladenen Teilnehmer, den ich dort kennengelernt habe, sagte mir später:
Ich hatte so viel Energie, ich wusste gar nicht, wohin damit.“
Genau an der Stelle sehe ich das Problem: Eine kleine Extra-Portion Motivation würde sicher nicht schaden, wenn dadurch nicht die Erwartungen überhöht und verfälscht werden würden. Die Leute gehen mit der Illusion nach Hause, der Weg wäre nun leicht, weil alle Bedenken in diesem Moment inhibiert, vermotiviert sind.
Doch was passiert nach drei Tagen?
- Was passiert mit seiner Stimmung, wenn er nun wieder zu Hause sitzt und den wartenden Berg an Aufgaben, Recherchen und nötigen Akquise-Anrufen sieht?
- Wie flockig fühlen sich die widersprüchlichen Informationen, die verschiedenen Optionen und Dutzende zu treffende Entscheidungen an, wenn plötzlich der Jubel und die Energie der 799 anderen übermotivierten Zuhörer des Show-Vortrages verstummt sind?
Einigen ergeht es dann wie Tom aus dem „Tom-und-Jerry“-Comic, wenn der jagdblinde Kater realisiert, dass er sich gerade über einem 100 Meter tiefen Abgrund befindet: Tom realisiert das, schaut verwundert, sagt „oho“, und darauffolgend stürzen sukzessive erst die Pfoten … dann der Körper … und zum Schluss der lange Hals in die Tiefe.
#autsch!
Übrigens: Dieser Artikel ist ein komplett kostenloses Kapitel aus dem Buch „Dein Ziel ist im Weg“:
Kompletter Neustart zur Lebensmitte?
Ein ähnliches Publikum, eine andere Szene:
Ein kleiner Seminarraum in Berlin. Thomas, ein aus dem Süden angereister Kursteilnehmer, sitzt vor mir. Er wirkt blass und müde. Zusammengekrümmt und mit dünner Stimme berichtet er, warum er in meinem Seminar ist: Er hat einen tollen Job, managt 15 Filialen eines Handelsunternehmens in Deutschland. Er verdient gut. Aber er ist gerade 40 geworden und fragt sich:
War das alles?“
Er ist unzufrieden mit der Unternehmenspolitik, es geht immer nur um Umsatz. Der Sinn fehlt ihm.
Außerdem gibt es da einen wunden Punkt in seinem Leben: In der zwölften Klasse ist Thomas von der Schule abgegangen, hat aber immer davon geträumt, Biologie zu studieren. Diesen Traum konnte er nie Realität werden lassen. Bisher. Nun fragt er sich:
„Soll ich?
Der Typ auf der Bühne hätte ihm sofort überzeugt zugerufen:
„JA! Spring!
Wenn du an deinen Traum glaubst, wirst du ihn auch erreichen.“
Mir scheint es allerdings überhaupt nicht angebracht, Thomas mit Motivationsparolen zu unüberlegtem Handeln anzustacheln. Ich überlege, was sein Kernproblem sein könnte. Ich versuche mich in seine Situation hineinzudenken – und vor allem einzufühlen. Dann habe ich eine Intuition:
Ich spiegele ihm seine Körperhaltung wider, imitiere seine fragile Stimme. Mir scheint, dass er seinem eigenen Traum nicht traut.
Er schaut mich mit großen Augen, lange überlegend an.
Er hat Angst.
Gefühle wollen gefühlt werden
Forschungen zeigen: Im Schnitt sind nur drei Prozent unserer Gedanken positiv. Der Rest sind Zweifel, Ängste, Vorwürfe, Konjunktive. Oft packen wir unsere Träume und Wünsche nicht an – nicht nur, weil sie noch unkonkret sind, sondern weil sie uns Angst machen.
So ist es auch bei Thomas. Sein Umfeld ist etabliert, und alle haben sich in den Annehmlichkeiten von Routinen eingerichtet. Doch ihn juckt und sticht es. Das „Was-wäre-wenn?“ nagt an ihm.
Würde Thomas nun zum Standard-Motivationsratgeber greifen oder sich optimistische Guru-Videos ansehen, bekäme er wahrscheinlich die Botschaft, er solle „seine Angst ignorieren“ und „einfach machen“. Das kann funktionieren. Kann.
Jedoch ist das für die MEISTEN Persönlichkeitstypen nur extrem schwer bis gar nicht umsetzbar, weil ihre Risikopräferenz anders ist. So einfach kommen sie leider nicht aus ihrer Haut raus!
Die Gefahr besteht nun darin, dass die vorsichtigen Typen ausschließlich die Erfolgsstorys sehen oder die aufgepumpten Mitmenschen aus dem Vortrag als Vergleich vor Augen haben. Ganz automatisch schleicht sich da der Eindruck „Nur ich bin zu feige“ ins Gewissen.
Die eigene Angst scheint nicht richtig zu sein. Jedenfalls bekomme ich diesen Eindruck, wenn ich mir Motivationsreden anhöre. Aber sie wird nun mal gefühlt. Wer Angst hat, gilt als Verlierer. Da ist er wieder, der Teufelskreis: Du fühlst dich doppelt schlecht: Du hast plötzlich nicht nur Angst, sondern auch ein schlechtes Gewissen, weil du sie hast.
Dir hängt im Ohr:
„Du kannst alles schaffen!“
„Augen zu und durch!“
Aber weißt du was?
Deine Bedenken sind berechtigt!
Sie sind sogar oft nützlich. Statt sie zu verdrängen, ist es sinnvoller, sich gründlich mit ihnen auseinanderzusetzen.
Eine gewisse Angst ist in den meisten Fällen sogar angebracht, denn viele Träume bergen nun einmal die Gefahr des Scheiterns. Wenn Thomas einfach so seinen ungeliebten, aber sicheren Job aufgibt, entsteht ein finanzielles oder gar existenzielles Risiko. Außerdem könnten ihn Freunde oder seine Familie schief ansehen.
Wäre ich ein anderer Erfolgstrainer oder Coach, hätte ich Thomas in diesem Moment einen Vertrag mit sich selbst unterzeichnen lassen. Ich hätte ihn zu einer großen, radikalen Hebel-umlegen-Entscheidung bewegt. Ich hätte ihm versichert, dass er das selbstverständlich schaffen kann, dass am Ende sicher alles gut wird.
Vorsicht!
Alles auf eine Karte zu setzen und einen Traum mit aller Kraft zu verfolgen, kann mehr Fragen aufwerfen als Lösungen bringen. Es kann unerwartet gegenwindig werden. Ich kenne viele Menschen, die ihr Hobby zu ihrem Beruf gemacht haben und nun genauso jammern wie Leute, die einen nicht so erfüllenden Job haben.
Viele Motivationscoaches ermuntern dich, über Angst „einfach“ hinwegzubügeln oder machen dir ein schlechtes Gewissen à la:
„Wenn du Angst vorm Versagen hast,
verdienst du es nicht, erfolgreich zu sein.“
Das ist einer der vielen Motivations-„Tschaka“-Sprüche die durchs Netz flattern und dort fleißig geliked und geteilt werden. Der Spruch stammt von Charles Wade Barkley, einem ehemaligen Basketball-Star. Doch Barkley ist ein Sportler, kein Psychologe. Nur weil bei ihm die „Harte-Jungs-Nummer“ funktioniert hat, heißt es nicht, dass es für dich motivierend sein muss.
Wie gut klappt es, Gefühle einfach wegzudrücken?
Machen wir ein kleines Experiment:
- Denke mal NICHT an einen rosa Elefanten, der auf einem Fahrrad sitzt und am Eiffelturm vorbeifährt.
- Denke bitte NICHT an den schwarzen Hut, den dieser rosa Elefant dabei trägt.
- Denke bitte NICHT an das Trompetengeräusch, dass dieser rosa Elefant von sich gibt.
Und?
Hat es funktioniert, nicht an den Dickhäuter zu denken?
Inneres Team statt Gefühls-Boomerang
Alles, von dem wir uns vornehmen, es NICHT zu tun, muss ja erst im Kopf aktiviert werden – und erst dann kann es unterdrückt werden. Aber genau dadurch werden die Neuronen in den Angstarealen des Gehirns durchblutet – die Angst ist latent präsent, gerade wenn du versuchst, sie mit „Ich werde das schaffen“ wegzuaffirmieren!
Klar, den Elefanten vergisst du schnell wieder, er ist dir nicht wichtig. Aber wenn du versuchst, deine Gefühle nicht zu fühlen, deine Zweifel und Ängste nicht ernst zu nehmen, dann werden sie wie kleine Kinder, die man ignoriert – sie werden LAUTER!
Wenn du sie weiter ignorierst und verdrängst, dann finden sie ihren eigenen Weg zu dir. Zum Beispiel, indem sie dir psychosomatische Impulse senden und du dich plötzlich vor einer wichtigen Prüfung schwer erkältest, obwohl du sosehr versucht hast, „stark und optimistisch“ zu bleiben. Das Unterbewusstsein lässt sich nun mal nicht so leicht austricksen.
Wenn wir dagegen unsere Zweifel und Ängste in unser Handeln integrieren, dann bilden sie zusammen mit anderen Gefühlsanteilen und Charaktereigenschaften, wie Neugier, Geduld und Mut, ein kräftigeres, ausgewogeneres „Inneres Team“.
Wirklich (innerlich) erfolgreiche Menschen sind sich ihrer Schwächen, Zweifel und Ängste bewusst – und handeln dennoch, weil sie diese Gefühle annehmen und akzeptieren – aber ihre anderen Teammitglieder wie „Neugier“, „Motivation“, „Lernbereitschaft“ nach vorn ins Rennen schicken. Sie finden Wege, diese Gefühle zu besänftigen und mit ihnen gut und wohlwollend umzugehen.
Genau das war übrigens der Schlüssel zu Betsys großem Entwicklungssprung (siehe Kapitel 3): Vorher fühlte sie nur die übergroße Angst. Erst als sie lernte, mutig hinzuschauen und die Angst auch mal einige Minuten bewusst zu spüren, auszuhalten und zu akzeptieren, wird das Gefühl schwächer. Es hat seine Signalfunktion erfüllt und deswegen bekam sie einen besseren Zugriff auf andere, vorher von der Angst überlagerte Anteile, wie ihren Ehrgeiz und auf ihre Lust zu studieren. Sie lernte mit ihrer Angst zu leben:
Bitte drücke deine Gefühle und Ängste nicht einfach weg. Sei sanft zu diesen vorsichtigen Anteilen in dir. Gehe liebevoll mit ihnen um. Bestrafe dich nicht innerlich dafür, dass du sie fühlst.
Halten wir fest:
Die Akzeptanz deiner Angst ist ein wichtiger Punkt, den viele übersehen und sich damit selbst im Weg stehen.
Gestehe dir auf dem Weg zu deinem Ziel einfach ein, dass du immer wieder Phasen haben wirst, in denen du dich ängstlicher oder entmutigt fühlen wirst. Gestehe dir schwache Phasen ein: Du wirst mal verzweifelt oder genervt sein, du wirst mal alles infrage stellen, um später euphorisch in einem energetischen Hoch deine Ziele noch größer zu träumen. All dieses emotionale Drehen und Wenden ist ein ganz normaler Prozess!
Gut, soweit der Einblick in unser Innenleben. Es hilft, in sich hineinzusehen und ehrlich zu sich zu sein. Auf der anderen Seite arbeite ich immer gern mit konkreten Strategien und Taktiken, um den Ball geschickt ins Tor zu dribbeln. Wie wäre es, wenn wir die Ursache der Angst einfach halbieren, indem wir unsere Ziele leichter, realistischer und für uns passender denken?
Viele trauen sich nicht, ihre Träume anzupacken, weil sie ihre Sicherheit und das Bekannte gegen etwas Unsicheres, Neues tauschen müssten.
Es besteht nun mal ein Risiko, dass etwas nicht klappt. Natürlich gibt es 1000 Erfolgsgeschichten von Leuten, die es geschafft haben. Aber es gibt auch 10.000 Geschichten von Leuten, die in genau diesen Vorhaben gescheitert sind. Wie viele Leute werden Olympiasieger, Popikonen, Topmanager oder Weltklassepolitiker? Einige. Wie viele haben es versucht?
Dein Unterbewusstsein weiß das und lässt sich nicht von den emotionalen Pflastern der Self-Help-Szene blenden. Um diese Ängste zu mindern, musst du dich nicht härter motivieren, sondern die Ursache angehen: das Risiko des Scheiterns.
Genau dies tun wir nun in diesem Kapitel. Ich gebe dir sanfte Strategien mit für deinen Weg – damit du dein persönliches Risiko auf deine Situation, deine derzeitigen Möglichkeiten und auf deine Wagnisbereitschaft anpassen kannst.
Zurück zu unserer Fallstudie „Thomas“: Auch ihm sollte klar sein, dass er, wenn er seinen Traum anpackt, nicht nur diesen Traum in die Hand nimmt, sondern auch einige Schlingpflanzen, die an diesem Traum kleben. Was kann und sollte er tun, um seinen Traum in ein greifbareres Ziel und in konkrete Projektschritte zu wandeln?
Ich rate deshalb zu einem vorsichtigen, bedachten Vortasten – und drei Prüfschritten. Also, Thomas, bitte …
- Finde noch ein wenig detaillierter heraus, was wirklich hinter dem Traum steckt.
- Überlege, ob sich dein Ziel in dein bisheriges Leben integrieren lässt.
- Versuche, einen sanften Übergang zu schaffen.
Im Folgenden betrachten wir diese drei Schritte im Detail.
Eine Art Life-Style-Guide für Leute, die was wuppen wollen!
Prüfen: Warum habe ich diesen Traum?
Zunächst gilt es, genau herauszufinden, welcher Wunsch wirklich hinter dem Traum steckt, doch noch Biologie zu studieren. Was weiß Thomas darüber?
Statt eine vage Idee mit Fantasien auszumalen, sollte er verschiedene Aspekte und Erwägungen durchleuchten. Es wäre ein reichlich dummer Plan, morgen zu seinem Chef zu gehen, ihm den dicken Stinkefinger zu zeigen und sich sofort für einen Biologie-Bachelor einzuschreiben.
Thomas ist in der 12. Klasse abgegangen. Hier wäre ich vorsichtig: Entspringt der Wunsch, Biologie zu studieren, eventuell auch einem gekränkten Ego? Will er sich selbst etwas beweisen? Besteht die Gefahr, dass Thomas gar kein intrinsisches Interesse an der Biologie hat, sondern einfach nur etwas kompensieren, aufarbeiten will?
Hier liegt ein Risiko. Versteh’ mich nicht falsch. Wir leben in einem sozialen Raum. Wir können uns selten ganz freimachen von Statusdenken bzw. von dem natürlichen Bedürfnis, uns gut darzustellen bzw. angesehen zu sein. Wenn diese Ego-Anteile nur ein Teil eines breiten Motivations-Motiv-Mix sind, überhaupt kein Problem!
Falls aber Kompensationsmotive zu weit im Vordergrund stehen, wäre zunächst das Aufarbeiten alter Wunden ratsam, bevor du eine große lebensrichtungsändernde Entscheidung triffst.
Ich stelle Thomas in meinem Seminar ein paar prüfende und zur Selbstreflexion anregende Fragen, die seine Gedanken in verschiedene Richtungen senden. Ich spiegele ihm nochmals seine Körperhaltung, Stimme und Zweifel wider und teile ihm weitere Gedanken und Hypothesen mit. Dann schicke ich ihn auf einen Friedhof.
Zufälligerweise befindet sich nämlich neben meinem Seminarraum ein alter Friedhofspark. Dort soll sich Thomas ein schickes Grab aussuchen, sich davorsetzen und ein wenig Einkehr halten.
- Gäbe es etwas, was du bereuen würdest? Eine Sache, die du getan – oder nicht getan hast?
- Was geht durch deinen Kopf? Was fühlst du im Hinblick auf deine jetzige Situation, wenn du an deine Träume und Ziele denkst?
- Wo spürst du Sehnsucht, wo fühlst du Kummer oder Groll?
Das sind drei hilfreiche Reflexionsfragen, um kurz per mentalem Helikopter durchs eigene Seelenleben zu fliegen. Du brauchst dafür selbstverständlich keinen Friedhof. Aber suche dir einen stillen Ort, wie meinen Hügel damals im Ruhrgebiet, auf dem ich meine „St.-Gallen-Entscheidung“ getroffen habe. Schick zum Denken finde ich auch den Blick aufs Wasser oder die Entspannungsphase nach einem Saunagang. Wo kannst du deine Gedanken gut „weitmachen“?
Thomas kommt nach ca. einer Stunde aus dem Friedhofspark zurück. Er wirkt anders. Er sitzt nun gerade, strahlt zufriedene Wärme aus und lächelt leicht.
Vom „Was“ zum „Wie“
(Vom Ziel zum Weg)
Das „Was“ ist ihm nun klar: Ja, er WILL noch Biologie studieren!
Aber nun hat er plötzlich ein anderes Problem:
„Wie? – Wie soll ich es anstellen?“
„Wie finde ich den Mut, das zu tun, was ich wirklich tun will?“
Gut, die erste Grundierung ist geschaffen.
Interessanterweise dreht sich hier die Richtung seines Problems: Das Ziel ist gesetzt, ja, er will das Ziel erkunden! Der Fokus dreht sich nun zum Weg, auf das „Wie“. Perfekt!
Bevor Thomas nun in die Vollen geht, wäre es ratsam, das Ziel noch einmal zu umzingeln – und es von mehreren Seiten zu betrachten. Ein kurzer Reality-Check hat noch keinem geschadet!
Es bietet sich an – oh, Überraschung – die Idee erst einmal risikoarm mit einem Testballon zu erproben.
Das ist nach dem vorhergehenden Kapitel nun so naheliegend, dass es banal scheint. Aber wir sind so daran gewöhnt, „groß“ zu denken, dass diese einfach greifbaren Möglichkeiten ausgeblendet werden.
Thomas könnte zunächst zwei Wochen lang in Vorlesungen zuhören, mit den Studierenden und Professoren reden und so ein besseres Gefühl dafür bekommen, wie es wäre, wenn er wirklich Biologie studierte.
Es wäre gut, wenn er seinem Traum eine Probezeit gäbe. Er könnte ein Sabbatical von drei oder sechs Monaten nehmen und prüfen, ob er danach immer noch Lust auf das Studium hat. Vielleicht ist sein Traum dann schon erfüllt. Wer sagt denn, dass der Traum sechs Semester lang sein muss? Er redete zudem nur davon, Biologie zu studieren, das heißt, es ist unklar, ob er auch in diesem Bereich arbeiten möchte. Eben das gilt es, mit diesem Testballon herauszufinden.
So weit, so gut. Diesen Ansatz haben wir bereits im vergangenen Kapitel durchdacht.
Wie geht es nun weiter mit den Zielen, die wir hinterfragt und getestet haben und die wir wirklich weiterverfolgen wollen?
Was nicht passt, wird passend gemacht
Wir gehen implizit davon aus, dass wir etwas groß und radikal ändern müssen, um eine Idee oder einen Traum zu verwirklichen. In unseren Köpfen sitzt ein Gedanken-Schalter, der sagt: „Entweder das eine ODER das andere.“
Muss es aber immer gleich der volle Traum sein?
Daher würde ich als Nächstes überlegen, ob es für Thomas vielleicht eine kleinere Lösung gibt, die sich in sein bestehendes Leben integrieren lässt. Die Kernfrage lautet hier:
Gibt es Mittel und Wege, innerhalb meiner bestehenden Struktur meinen Traum zu testen oder zu entwickeln?
Hier hilft das „Prozentdenken“, das ich im vorherigen Kapitel erklärt habe. Dort habe ich gezeigt, dass das Ausleben von nur fünf Prozent meines Traums (New York für einen Monat statt für einen Lebensabschnitt) wesentlich einfacher zu organisieren war als ein Megatraum. Oft lassen sich nämlich Träume in eine bestehende Struktur einflechten. Nur weil das Projekt „New York“ zunächst so klein gedacht war, konnte ich es auch umsetzen. De facto habe ich den New-York-Aufenthalt einfach nur ans Ende meiner Weltreise „drangehängt“.
Auch meinen großen Traum, einmal ein Buch zu schreiben habe ich versucht, möglichst sanft in mein bestehendes Leben einzuschieben. Ich schob für das Schreiben meines ersten Buches bewusst meine Uni-Abschlussprüfung um ein Semester auf. So behielt ich den Bibliothekszugang, meine billige Krankenversicherung und Studentenwohnung. Da es um Zeitmanagement im Studium ging, hatte ich meine Zielgruppe direkt um mich herum und konnte meine Konzepte testen und diskutieren.
So entstand durch ein wenig Taktieren ein risikoarmer und perfekter Brutkasten für mein Projekt.
Oft liegen gute Lösungen nah, es muss nicht immer ein großes, aufwendiges Ziel sein. Beamen wir uns nach Bremen, zu einem Unternehmerkongress. Und zu meinem guten Freund Nils, der eine gemeinnützige Beratergesellschaft betreibt, mit der er soziales Unternehmertum fördern will.
Eine Mathelehrerin sprach dort mit ihm – sie zerbrach sich schon seit Wochen den Schädel: Sie wolle so gern etwas Gutes tun. Aber wie? Ihr fehlte die zündende Idee für eine Nachhaltigkeitsfirma!
Niemand bestreitet, dass diese Lehrerin ihre eigene Firma haben könnte, wenn sie „nur fest an sich glaubt“ und „alles dafür tut“. Doch ihr fehlten viel Wissen und Erfahrungen, um eine Firma schnell und selbstsicher zu gründen. Der Weg wäre für sie relativ schwer und weit. Warum sich quälen, wenn es einfacher, sicherer und schneller geht? – So sagte Nils ihr:
„Wie wäre es, wenn du die Rechenaufgaben aus den Büchern ein wenig umschreibst und mit anderen Inhalten füllst?
Häufig sind in den Mathebüchern völlig fiktive und sinnlose Fragen. Lass die Kinder doch lieber ausrechnen, wie viel Kilowattstunden Strom sie sparen würden, wenn sie ihr Badlicht ausschalten. Lass sie kalkulieren, wie viele Bäume gerettet würden, wenn ihre Familie auf recyceltes Klopapier umsteigt. Frag sie, wie wahrscheinlich es ist, dass eine Schildkröte an einer Plastiktüte erstickt. So werden die Schüler sensibilisiert.“
Die Lehrerin war angetan: Sie konnte sofort etwas Gutes tun, ohne ihre Sicherheit aufs Spiel zu setzen. Sie müsste keine Energie für die Firma aufwenden und hätte Zeit, sich auf den Inhalt zu fokussieren. Der Bonus dieser Strategie ist vielleicht zudem, dass sich die Kinder mehr für Mathe interessieren oder ihnen das Rechnen leichter fällt, weil sie den SINN hinter dem Rechnen sehen. Kurz, sie könnte ihren Wunsch sofort „im Kleinen“ umsetzen und damit wohl Größeres bewirken, als wenn sie viel Energie damit verballerte, sich die fehlenden Fähigkeiten für eine Firmengründung anzueignen.
Später, wenn die Lehrerin schöne Aufgaben gesammelt hat, könnte sie einen kleinen Mathe-Nachhaltigkeitsblog erstellen und ihre Arbeit anderen zur Verfügung stellen. Wenn das läuft, könnte sie den nächsten Schritt gehen und ein E-Book oder gar ein richtiges Buch veröffentlichen, deren Einnahmen sie wiederum einem bestehenden Nachhaltigkeitsprojekt spenden könnte.
Wie könnte eine Integration für Thomas aussehen?
Statt kurzerhand alles komplett umzukrempeln, könnte Thomas sich erst einmal ein Biologie-Sachbuch kaufen und einfach jeden Abend ein Kapitel lesen. So könnte er sofort Biologie „studieren“, ohne den riesigen Umweg über die Jobkündigung, Unisuche, Umzug und Einschreibung zu gehen.
Danach könnte er ein Biologie-Lehrbuch lesen. Anders als Sachbücher sind Lehrbücher nicht für die Allgemeinheit, sondern für Studierende und deutlich komplexer und sperriger, denn sie weisen allerlei Fachwörter, Spezialthemen, Details, Exkurse, Fußnoten und Quellenangaben auf. Indem Thomas genau die Bücher liest, die er auch im Studium lesen würde, könnte er sich ein realistisches Bild davon machen, wie es wirklich wäre, sich stundenlang mit dieser Materie zu beschäftigen. Saugt ihn die Lektüre hinein in die Details? Will er tiefer gehen und das alles genau verstehen? … Oder schweifen seine Gedanken immer wieder ab, fühlt es sich schwer an und schiebt er das Lesen auf?
Es könnte für ihn deutlich angenehmer sein, nur selektiv spezielle Bücher und Dokumentationen zu seinen wirklichen Interessen zu lesen – und ab und an als Gasthörer ausgewählte Vorlesungen zu besuchen. Wer Biologie in Vollzeit studiert, hat viel Stress mit Pflichtseminaren und Zeitdruck, sodass dabei die Muße und tiefes Verständnis oft auf der Strecke bleiben.
Thomas hätte bei der kleinen Version seines Traums die Chance, sein eigenes Curriculum zusammenzustellen. Er könnte sich mit dem Wissen und einem gut begründeten Motivationsschreiben mittelfristig nach einem Managementjob in einer Biotech-Firma umschauen. Immerhin hat er viel Erfahrung als Führungskraft und als Quereinsteiger würde er eine frische Sicht auf Prozesse und neue Perspektiven mitbringen. Er hätte täglich mit Biologie zu tun und könnte seine hervorragenden Management-Skills gewinnbringender und mit größerem Hebel einsetzen. Er stünde auch nicht, wie die anderen Bio-Absolventen, acht Stunden im Labor, um zu untersuchen, ob irgendwelche Bakterienkulturen auf Urinproben wachsen.
Im besten Fall führt eine solche „Integrationsstrategie“ schon zu einem guten (Zwischen-)Ergebnis.
Ich zumindest würde an seiner Stelle erst einmal HIER starten und diese Integration ausprobieren. Parallel kann er durchaus weitere Optionen für den nächsten, aufwendigeren Schritt recherchieren.
Vielleicht aber spürt Thomas jetzt schon Widerstand, wenn er meine „kleine“ Lösung liest. Es brennt vielleicht so sehr in ihm, dass er der Sache wirklich tief auf den Grund gehen will. Vielleicht will er bis auf den Meeresgrund gehen – und die Lebewesen dort erforschen? Dann braucht er vielleicht das Studium als Voraussetzung, um an einen solchen Job zu kommen. Gut, Thomas, nur zu! Doch bevor du ins kalte Wasser springst – schau’ mal, ob es auch eine Treppe gibt …
Evolution statt Revolution
Wir denken nicht nur oft groß, sondern spüren auch permanent einen Druck, uns entscheiden zu müssen. Auch die Ratgeber rufen und mahnen:
Entscheide dich! Fokussiere dich! Positioniere dich! Finde DIE EINE Sache, die dich glücklich macht!
Das setzt angeblich Energie frei und macht deine Arbeit leichter. Grundsätzlich ist das richtig, aber am Anfang ist es schwer und verfrüht, sich zu sehr festzulegen. Du weißt ja noch gar nicht, mit welcher deiner Ideen und Talente du wirklich gute Resonanz erhältst!
Mir jedenfalls fiel es sehr schwer, diesem Rat des „Entscheide dich!“ zu folgen. Witzigerweise half mir in Pattsituationen genau das Gegenteil: Ich folgte einer japanischen Weisheit.
Sie lautet:
Dieser Gedanke erwies sich für mich häufig als nützlicher Gedanken-Umwandel-Zauberstab, denn selten müssen wir uns wirklich „hart“ zwischen zwei Varianten entscheiden.
Wenn du deine Sachen mit ein wenig mehr Offenheit, Abstand und Kreativität betrachtest, wenn du dich traust ein paar Kriterien und Ansprüche zu hinterfragen und zu senken und gezielt ein wenig mit den Optionen im Kopf spielst, dann lassen sich zwei oder mehr Wünsche miteinander verweben. Das haben wir bereits in der Betrachtung der Testballons und der Integrationsideen gesehen.
Meine These:
Das gilt jedenfalls immer dann, wenn du dich in ein neues, unsicheres Terrain wagst. Da wäre es doch gut, eine Sicherheitsleine zu haben!
Diese Sicherheitsleine gibt dir meine sanfte „Sowohl-als-auch“-Übergangsstrategie. Mit dieser habe ich es geschafft, meinen Traum zu verwirklichen, von einer vermeintlich unsicheren Sache wie der Schriftstellerei leben zu können …
Meine Sowohl-als-auch-Strategie in die Selbstständigkeit
Nach meinem Studium wollte ich mein zweites Buch schreiben. Mein erstes kam an, aber ich verdiente damit dennoch nicht viel. (Was viele nicht wissen: Ein Buchautor bekommt gerade ca. ein Euro pro Buch.) Es war total unklar, ob ich von einer Autorenexistenz würde leben können – oder diese, wie so viele meiner Autorenfreunde, letztendlich aufgeben müsste.
Deswegen verfolgte ich eine Doppeltaktik, die ich hier „Standbein-Spielbein-Strategie“ oder „Übergangsstrategie“ nenne. Beim Sport oder im Tanz gibt es ein Standbein und ein Spielbein. Eines bietet Festigkeit und Halt, das andere tänzelt und macht die schönen Bewegungen.
Als Standbein bezeichne ich in diesem Fall die Tätigkeiten, die dir einfacher, schneller oder sicherer Geld und Stabilität bringen. Es sind Jobs und Aufträge, die relativ fix, gut zu beschaffen oder leicht zu ersetzen sind. Es sind Dinge, die dazu dienen, dich über Wasser zu halten. Es sind nicht unbedingt Traumjobs, z. B. kann ein Standbein auch einfach nur Kellnern sein, um die Miete zu zahlen. Ein Standbein hilft dir, Ruhe und Routinen in deine Woche zu bringen, weil es berechenbar ist.
Das Spielbein hingegen ist die unsichere Sache: Dein Traum oder Ziel, das aber noch so neu ist, dass du noch nicht genau sagen kannst, ob, wie und wann du damit Erfolg haben wirst.
Das Autorendasein ist genau das: unsicher. Du weißt nie, ob dein Buch ankommt oder verrissen wird. Es gibt enorm viel Wettbewerb und dein Erfolg ist von großen Zufällen beeinflusst. Eine Medienbesprechung kann eine enorme Kaskade an Aufmerksamkeit bringen. Aber so etwas ist extrem schwer zu erreichen. Ebenso musst du geduldig eine Leserschaft aufbauen, das braucht Zeit.
Deswegen entschloss ich mich dazu, erstmal meinen klassischen Karriereweg weiterzugehen und begann eine Doktorarbeit. Sie war mein Standbein, das mich auf eine „normale“ Karriere in einem Großunternehmen, einer Beratung oder Agentur vorbereiten sollte. Zudem bekam ich dafür zwei Stipendien, die mich über vier Jahre mit dem Nötigsten versorgten, sodass ich keinen Druck hatte, mit Büchern Geld zu verdienen.
So konnte ich verschiedene Strategien zum Aufbau meines Buch-Business ohne Stress ausprobieren. Es war eine sichere Deckung, aus der heraus ich meinen Traum vom selbstständigen Schreiben entwickelte.
Mehr und mehr verstand ich zudem meine Aufgaben als Doktorand und konnte sie besser und effizienter gestalten. Dieses Standbein nahm ich schrittweise zurück und baute mein Spielbein aus, das heißt, ich verschaffte mir mehr Zeit, Nerven und Energie für meine Bücher. Konsequent versuchte ich, jede Woche etwas für das Spielbein zu tun: einige Ideen festzuhalten, Texte zu schreiben oder einige Vermarktungsimpulse zu setzen.
Das Buch-Business ist hingegen nicht so gut berechenbar. Deswegen habe ich es in Schleifen gezeichnet:
Es braucht ein paar Schleifen, einige Irrungen und Wendungen, bis du den richtigen Ton gefunden und das Bedürfnis deiner Leser wirklich getroffen hast. So kam zwar mein erstes Buch inhaltlich gut an, war aber äußerlich nicht ansprechend verpackt. Auf das Feedback meiner Leser hin änderte ich das Cover und entwickelte das Buch zusätzlich konzeptionell weiter, sodass es etwas später den Durchbruch schaffte. Dazwischen produzierte ich noch ein Marketing-Buch und eine China-Parodie – beides Irrwege, mit denen ich keinerlei Geld verdiente. Bloß gut, dass ich bei diesen Umwegen ein festes Standbein hatte!
Ein wichtiger Nebenaspekt ist, dass ich darauf achtete, mein Stand- und Spielbein eng miteinander zu verzahnen. Ich wählte die Themen der Doktorarbeit so, dass ich hauptsächlich kognitions- und motivations-psychologische Artikel lesen und Forschungsprojekte durchführen musste. Damit baute ich mit meinem Standbein auch tiefgründiges Wissen für meine Spielbeine, meine Seminare und Bücher, auf.
Am Ende sieht der Weg so aus: Du startest aus einem sicheren Hafen oder einer bestehenden Situation heraus. Du versuchst die zeitlichen und energetischen Ressourcen deines Standbeins immer weiter runterzufahren, das kann schrittweise oder phasenweise passieren. Versuche währenddessen das Spielbein systematisch auf- und auszubauen. Wundere dich aber bitte nicht, wenn das ein wenig hin- und herspringt und vor dir tänzelt. Das ist ganz normal im Lernprozess von neuen Dingen.
Unser Freund Thomas könnte und sollte seinen Traum ebenso auf die sanfte Art angehen: Er sollte vorerst seinen gut dotierten Job behalten, aber versuchen, seine Wochenarbeitszeit zu reduzieren oder ein Sabbatical zu bekommen. Falls das beides nicht geht, könnte er zumindest probieren, mehr zu delegieren, oder Prozesse, Routinen und Entscheidungen leichter und effizienter für sich zu gestalten, sodass er am Feierabend und am Wochenende mehr geistige Kapazitäten und Energie hätte, neue Informationen aufzunehmen oder Dinge zu organisieren.
Er könnte auch noch ein oder zwei Jahre warten, mehr sparen und so einen finanziellen Puffer aufbauen. Jedenfalls würde ich ihm raten, erst mal alles in Erfahrung zu bringen und „einzutüten“, bevor er den Schalter umlegt. Es wäre zudem schlau, ein Türchen offenzuhalten und ein vertrauensvolles Gespräch mit seinem Vorgesetzten zu suchen, ob es eine Rückkehroption gäbe.
Die sanfte Übergangsstrategie ist ein Prinzip, das dir bei vielen Herausforderungen und Wegen hilft: Die zwei dahinterliegenden Fragen sind nämlich äußerst nützlich:
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- Was willst du ausbauen?
- Was willst du reduzieren?
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Die Sowohl-als-auch-Übergangsstrategie als Skizze ausgedrückt:
Dieses Strategie-Schema ist auf viele Bereiche übertragbar, denn wenige Dinge geschehen im Hauruck von heute auf morgen. So hatte
z. B. eine andere Seminarteilnehmerin furchtbares Lampenfieber. Das kann man leider nicht ab sofort abstellen. In dem Fall gilt es, Sicherheit aufzubauen und Angst abzubauen. Ich riet ihr, sich der Vortragsübungs-Gruppe „Toastmasters“ (gibt es weltweit) anzuschließen. Damit würde sie jede Woche eine kurze Stegreifrede üben können. Schritt für Schritt würde sie so Selbstvertrauen aufbauen und ihr emotionales System an solche Situationen gewöhnen. Alternativ/ergänzend könnte sie ein Hobby pflegen, das ihr leicht von der Hand geht, um dort Zuspruch und Bestätigung aufzutanken.
Was ist es bei dir? Nimm dir ein Ziel: Welche Kompetenz solltest du auf- und welche Schwäche abbauen, damit dein Weg leichter wird?
Der Traum von der Selbstständigkeit ist sehr schön. Aber leider wird er – für viele leider zum Alptraum. Ein Hobby zu haben und sein Hobby zum Beruf zu machen sind oft zwei verschiedene Dinge. Deswegen ist besonders hier ein sanfter Übergang sinnvoll.
Die meisten Selbstständigen haben ein Mix-Portfolio, mehrere Einkommensquellen. Und oft sind das, was sie kommunizieren und sein wollen, und das, womit sie wirklich Geld verdienen, zwei Paar Schuhe. Ich kenne viele Reiseblogger, die bunte Bilder posten, und ihre Welt sieht so traumhaft aus. Reisen, schreiben, davon leben! Wem gefällt das nicht. Doch ich kenne viele von diesen „digitalen Nomaden“ – und weiß, dass so manche im Hintergrund andere Dinge, ja, auch ganz normale Nebenjobs und Projekte annehmen, um sich zu finanzieren.
„Zwei Standbeine sind besser als eins“ ist wohl der wichtigste Spruch für Selbstständige.
Zudem jagen viele einer falschen Vorstellung von diesem Ziel hinterher. Wir denken meist, wir könnten dann nur noch die Sache tun, die uns sooo viel Spaß macht. Wir suchen mehr Freiheit, doch in Wirklichkeit ist es ein Tausch. Du tauschst die Zwänge und Verpflichtungen eines Jobs gegen die Notwendigkeiten deiner Selbstständigkeit. Ich habe viele Leute scheitern sehen, weil sie zwar Lust auf die eigene Tätigkeit hatten, aber sich nicht auf das Bündel an Aufgaben einlassen wollten, die damit zusammenhingen. Ich mache viele Dinge, auf die ich keine Lust habe (Steuern, Management, Verhandeln, Technikkram, neue Gesetze und Vorschriften für Firmen und Webseiten umsetzen, Kundenanfragen, Angebote schreiben …).
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Kategorie: Träume verwirklichen
Artikel von Martin Krengel
am 05.05.2020
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